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Rotwildjagd

Rotwild fasziniert den Jäger seit jeher. Der Beiname Edelwild zeugt von der hohen Wertschätzung, die der größten Wildart Mitteleuropas schon vor langer Zeit entgegen gebracht wurde. Dabei erfordert Rotwildjagd, im Volksmund oft auch Hirschjagd genannt, vom Jäger ein hohes Maß an Können, Wissen und Fingerspitzengefühl. Kaum eine Wildart ist so lernfähig wie das Rotwild, das gesammelte Erfahrungen über Generationen hinweg weitergibt. Wer einige Grundregeln nicht beachtet, erschwert sich die Rotwildjagd also mit der Zeit unnötigerweise selbst.

Hege und jagdliche Zielsetzungen bei der Rotwildjagd

Rothirschhaupt im Profil

Rothirsch mit teilweise verfegtem Geweih

In klimatischen Extremgebieten – insbesondere in den Alpen – stellt eine maßvolle Winterfütterung die wohl wichtigste Hegemaßnahme für das Rotwild dar. Des Weiteren können Wildäcker und Salzlecken den Lebensraum für das Rotwild attraktiver gestalten und die Erfolgschancen bei der Hirschjagd bzw. Rotwildjagd erhöhen. Mancherorts lässt man dem Rotwild fälschlicherweise eine übertriebene Hege angedeihen, die zu extremen Wilddichten führt – wenig verwunderlich, dass sich das früher oder später in massiven Wildschäden oder Seuchen niederschlägt.

Klassische Rotwildbewitschaftung

Die klassische und bewährte Form der Rotwildbewirtschaftung schöpft Jahr für Jahr den effektiven Zuwachs ab und erhält ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis sowie eine natürliche Alterspyramide mit ausreichend alten Stücken. Bei den Kälbern und Schmaltieren erfolgt dabei ein vergleichsweise hoher Eingriff, wobei körperlich schwache Stücke bevorzugt erlegt werden. Junge und mittelalte Tiere können – wenn es die Erfüllbarkeit des Abschussplanes hergibt – weitgehend geschont werden. Alte Gelttiere hingegen sind bei der Rotwildjagd wiederum vorrangig zu erlegen. Bei der Bejagung führender Tiere ist stets zuerst das Kalb zu strecken.

Jagdliche Zielsetzung bei der Hirschjagd

Die Hirsche werden in drei Altersklassen eingeteilt. In der Klasse der jungen Hirsche erfolgt der höchste Abschuss, wobei der Fokus meist auf kronenlosen Hirschen liegt (Hirschjagd). In der Mittelklasse sollten möglichst nur vereinzelte, unterdurchschnittlich entwickelte Hirsche erlegt werden. Lohn der weitgehenden Schonung der Mittelklasse sind im Idealfall zahlreiche reife und alte Hirsche, die auch für den Bestand von großem Wert sind.
Im Zuge der vielerorts praktizierten Reduzierung der Rotwildbestände wurde von dieser Form der Hirschjagd abgegangen. Dort galt oder gilt die Maßgabe „Zahl vor Wahl“ – oft mit dem Ergebnis, dass die Bestände im Hinblick auf Altersaufbau und Geschlechterverhältnis zerschossen wurden.

Ansprechen bei der Rotwildjagd

Zum Erreichen der jagdlichen Zielsetzungen führt bei der Rotwildjagd am genauen Ansprechen kein Weg vorbei. Kälber sind bis hinein in den Spätsommer anhand ihrer Fleckenzeichnung selbst für den unerfahrenen Jäger leicht zu erkennen. Auch im Herbst und Winter ist der Unterschied zu Schmal- und Alttieren meist nicht zu übersehen. Das Ansprechen eines Schmaltieres – insbesondere bei einem einzelnen Stück – ist das das vielleicht Schwierigste bei der Rotwildjagd. Der Jäger benötigt dazu auf jeden Fall gutes Licht und – bei größerer Entfernung – ein Spektiv.

Rudel Rotwild im Morgennebel auf einer Lichtung

Ansprechen bei der Rotwildjagd ist nicht immer einfach: Rotwild im Morgennebel

Wichtige Merkmale beim Ansprechen von Rotwild

Der Habitus eines Schmaltieres ist jugendlicher als der eines Alttiers und sein Haupt ist kürzer. Für weniger erfahrene Jäger kann der Unterschied zu einem jungen, wildbretschwachen Alttier jedoch kaum erkennbar sein. Die Verwechslung mit einem führenden Alttier wäre jedoch ein fataler Fehler. Die letzte Sicherheit gibt nur der Blick zwischen die Keulen, um das Fehlen eines Gesäuges zu überprüfen – doch Achtung, nicht bei jedem Stück ist das Gesäuge leicht zu erkennen. Ältere Tiere sind anhand ihres langen, trocken wirkenden Hauptes wiederum recht leicht anzusprechen.

Altersansprache bei der Hirschjagd

Bei den Hirschen erfolgt die Altersansprache in erster Linie anhand diverser Körpermerkmale. Starker Träger, waagerechte Trägerhaltung, breites Haupt, mürrischer Gesichtsausdruck, kurze Rosenstöcke, ausgeprägte Wamme, Senkrücken, Hängebauch, frühes Abwerfen und Verfegen, spätes Verfärben und ein scheinbar auf den Vorderläufen lastender Körperschwerpunkt gelten als Altersmerkmale. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein Feisthirsch völlig anders wirkt als ein Brunfthirsch oder ein Hirsch nach der Brunft. Bei einem wirklich reifen Hirsch muss der Jäger jedenfalls nicht lange nach Altersmerkmalen suchen – sie sind nämlich offensichtlich. Sind sie es nicht, hat der Hirsch das Zielalter mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht erreicht. Schmalspießer sind sehr leicht anzusprechen. Allerdings können besonders gut veranlagte Einjährige auch schon eine Vereckung aufweisen, sodass sie unter Umständen mit einem geringen zweijährigen Hirsch verwechselt werden.

Fährte

Anhand der Fährte lässt sich bei der Hirschjagd recht zuverlässig auf das Geschlecht des jeweiligen Stückes schließen. Hirsche haben ein rundlicheres Trittsiegel, während sich das der Tiere nach vorne hin verjüngt. Das Abschätzen der Stärke wird dadurch erschwert, dass das Wild auf weichem Untergrund tiefer einsinkt, wodurch sich das Trittsiegel vergrößert. Auch das Geäfter kann sich auf solchem Boden abzeichnen. Es gibt 72 hirschgerechte Zeichen, die die Fährte des Rotwildes beschreiben. Heute jedoch kommt den meisten bei der Rotwildjagd keine größere Bedeutung mehr zu.

Jagdarten bei der Rotwildjagd / Hirschjagd

Als Jagdarten bietet sich für die Rotwildjagd insbesondere der Ansitz an, doch auch Pirsch und Bewegungsjagden sind beliebt. Der Ansitz bietet den Vorteil, dass man in guter Deckung in aller Ruhe auf das Austreten des Wildes wartet. Dadurch ist es wesentlich unwahrscheinlicher, eräugt oder vernommen zu werden. Aufpassen muss der Ansitzjäger also insbesondere auf den Wind. Der Ansitz kann an Äsungsflächen ebenso erfolgversprechend sein wie an Wechseln.

Pirsch auf Rotwild

Die wohl spannendste Form der Rotwildjagd ist das Anpirschen an den schreienden Hirsch in der Brunft. Aber auch außerhalb der Brunft kann erfolgreich auf Rotwild gepirscht werden. Allerdings erfordert dies eine lautlose Fortbewegung – am besten auf Pirschsteigen – und eine gute Revierkenntnis. Weil oft wenig Zeit zum Ansprechen und Schießen bleibt, wird sich ein unerfahrener Jäger mit dieser Art der Rotwildjagd schwer tun. Der Pirschjäger muss vor allem bedenken, dass alle Sinne des Rotwildes sehr gut ausgeprägt sind.

Bewegungsjagden im Rotwildrevier

Außerdem wird Rotwild oft auf Drückjagden bejagt. Bei stärkerer Beunruhigung besteht dabei die Gefahr, dass Tier und Kalb voneinander getrennt werden, sodass dem Jäger ein vermeintlich nichtführendes Tier in Anblick kommt. Vor allem im Alpenraum werden zur Erfüllung des Abschussplans auch gerne kleine Riegeljagden veranstaltet. Dabei durchstreifen ein oder wenige Treiber einen Einstand, während einige Schützen das Wild an den üblichen Wechseln abpassen.

Reviereinrichtungen für die Rotwildjagd

Welche Ansitzeinrichtung für die Rotwildjagd ideal ist, hängt von den örtlichen Gegebenheiten und den persönlichen Vorlieben des Jägers ab. Geschlossene Kanzeln bieten den Vorteil optimaler Deckung. Hohe Hochsitze gewähren den besten Überblick. Oft sind für die Rotwildjagd jedoch Bodensitze völlig ausreichend. Wer sein Revier und das Wild kennt, kann auch gänzlich ohne Ansitzeinrichtung zurechtkommen und die Rotwildjagd dadurch besonders intensiv erleben. Dazu nutzt man entweder natürliche Deckung oder errichtet vor dem Ansitz mit wenigen Handgriffen einen Schirm aus Tarnnetzen.

Salzlecken

Salzlecken werden vom Rotwild gerne angenommen und erhöhen die Chancen auf eine erfolgreiche Rotwildjagd. Außerdem eignen sie sich hervorragend, um mithilfe einer Wildkamera das Wild und seine Aktivitätsmuster besser kennenzulernen. Ob dazu Stamm-, Stock- oder Wurzelsulzen oder Salzkisten verwendet werden, ist dem Jäger selbst überlassen.

Suhlen

Hirsche suchen von der Feistzeit bis in den Spätherbst gerne Suhlen auf und nehmen ausgiebige Schlammbäder. Insbesondere der Ansitz auf den heimlichen Feisthirsch kann an der Suhle erfolgversprechend sein.

Fütterung

In schneereichen Revieren führt um die Winterfütterung des Rotwildes oft kein Weg herum, will man Fallwild und Forstschäden vermeiden. In erster Linie sollten qualitativ hochwertiges Raufutter – Heu und Grummet – gefüttert werden. Daneben kann Saftfutter – beispielsweise Silage oder Apfeltrester – angeboten werden. Kraftfutter, also im Wesentlichen Mais und Getreide, sollte nur einen kleinen Teil des Rotwildfutters ausmachen.

Waffen und Kaliber für die Rotwildjagd

Büchsen, die einen schnellen zweiten Schuss ermöglichen, sind bei der Rotwildjagd – insbesondere bei der Erfüllung des Kahlwildabschusses – selbstverständlich von Vorteil. Wer jedoch in der Lage ist, seine Kipplaufbüchse oder Kombinierte schnell nachzuladen, verliert nur wenige Sekunden, sodass auch mit einem solchen Gewehr eine Doublette oder Triplette gelingen kann. Ein lichtstarkes Zielfernrohr ist vorteilhaft, aber kein Muss.
Aufgrund der Größe und Schusshärte des Rotwildes sollte ein Kaliber von ausreichender Stärke gewählt werden. Bewährt haben sich Kaliber wie 7 x 64, .30-06, .300 Win. Mag. oder 9,3 x 64. In übersichtlichen Revieren erfordert die Rotwildjagd oft weite Schüsse, sodass Magnumkaliber gewisse Vorteile mit sich bringen.

Pirschzeichen bei der Rotwildjagd

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Rotwild auch bei guten Treffern erst nach einer mehr oder weniger kurzen Todflucht  verendet. Umso wichtiger ist es, dass der Jäger bei der Rotwildjagd im Schuss auf das Zeichnen des Wildes achtet. Rotwild zeichnet meist recht deutlich. Ein Aufsteilen ist typisch für einen Lungenschuss, eine tiefe Flucht lässt auf einen Herztreffer schließen. Flüchtet das Stück mit krummem Rücken, sitzt der Schuss hingegen weich. Nach einer angemessen Wartezeit untersucht der Jäger den Anschuss. Bei hellrotem, schaumigem Schweiß handelt es sich um Lungenschweiß, mittel- bis dunkelroter Schweiß ist Herzschweiß, dem der Wildbretschweiß jedoch nicht unähnlich ist. Bei Waidwundschüssen findet sich wässeriger Schweiß, der oft mit Pansen- oder Darminhalt durchsetzt ist.

Wildschäden durch Rotwild

Durch Schälen, aber auch durch Verbiss und Verschlagen kann Rotwild beträchtliche Schäden an Forstkulturen verursachen. In vielen Fällen werden diese Schäden unbewusst vom Menschen provoziert. So führen beispielsweise überhöhter Jagddruck oder unkalkulierbare Störungen durch andere Naturnutzer dazu, dass sich das verängstigte Wild kaum noch ins Freie traut und so fast schon zum Schälen gezwungen wird.

Trophäenpräparation nach der Rotwildjagd

Zur Präparation der Hirschtrophäe wird das Haupt aus der Decke geschlagen und mit einer Säge auf die gewünschte Länge gekappt. Danach wird der Schädel für ein bis zwei Tage gewässert. Das anschließende Abkochen kann bei älteren Hirschen durchaus eine Stunde in Anspruch nehmen. Schließlich werden die Gewebereste vom Knochen geschabt und der Schädelknochen wird mit Wasserstoffperoxid gebleicht.

Altersbestimmung beim Rotwild

Zur Altersbestimmung sind beim Rotwild zwei Verfahren üblich. Das eine ist die Altersschätzung anhand des Zahnabschliffs, was für die Praxis meist ausreichend ist. Allerdings kann es hier zu Schätzfehlern von einigen Jahren kommen. Eine Altersbestimmung auf +/- 1 Jahr erlaubt hingegen die aufwendigere mikroskopische Untersuchung der Zahnzementzonen.

Fazit

Rotwild polarisiert. Für manche ist es eine heilige Wildart, der man Überhege angedeihen lässt – für andere ein Forstschädling, der als Sündenbock für andere Missstände herhalten muss und  mit allen Mitteln verfolgt wird. Wie meist im Leben liegt die Wahrheit dazwischen. Nüchtern betrachtet ist Rotwild nicht mehr als eine von vielen faszinierenden Wildarten, die in einer natürlichen Dichte genauso in unsere Wälder gehört, wie jedes andere Wildtier. Rotwildjagd ist spannendes, stimmungsreiches Waidwerk – doch insbesondere die Erfüllung eines hohen Kahlwildabschusses kann die Rotwildjagd mitunter zur Last werden lassen. Es wäre wünschenswert, wenn man dem Rotwild wieder den Respekt entgegen bringt, den es verdient hat und sich vom Trophäenkult ebenso distanziert wie von überzogener Bestandsreduktion.